Von einem vorsichtigen Kennenlernen oder gar schüchternen Annähern war nichts zu spüren beim ersten offiziellen Treffen der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge mit Vertretern des Sozialwerks St. Georg. Im Gegenteil – Gesprächsstoff gab es reichlich und die zentralen Themen wurden schnell identifiziert: Innovation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit. Die Gemeinsamkeiten lagen auf der Hand, handelt es sich dabei doch um gesamtgesellschaftlich relevante Themen, die nicht nur Mitarbeitende und Klienten des Sozialwerks bewegen.
Digitalisierung – im Sozialwerk sehr viel mehr als nur Videokonferenzen
Digitalisierung ist nicht erst seit Corona in aller Munde. Durch die Pandemie hat sie jedoch einen gehörigen Schub nach vorne erfahren. Im Sozialwerk wie anderswo auch. Hier hat dieses Schlagwort aber noch eine weitere Dimension. Denn beim sozialen Dienstleister geht es nicht etwa nur darum, persönliche Besprechungen durch Video-Konferenzen zu ersetzen. „Wenn wir im Sozialwerk über Digitalisierung nachdenken, dann meinen wir damit vor allem die digitale Teilhabe von Menschen mit Assistenzbedarf. Also das Bereitstellen von Möglichkeiten, dass sie ebenso am digitalen Leben teilhaben können wie Menschen, die keine Barrieren überwinden müssen,“ erläuterte Gitta Bernshausen, Vorständin im Sozialwerk St. Georg im Gespräch mit Oberbürgermeisterin Welge.
Seine konkrete Umsetzung finde dieser Gedanke im so genannten „digitalen Klientenfenster“, das Klientinnen und Klienten die Einsicht in ihre digitalen Akten ermöglicht. Perspektivisch sollen sie auch selbst Einträge vornehmen können. „Damit führen wir unseren Ansatz konsequent fort, Menschen mit Assistenzbedarf in allen Bereichen niederschwellig und maximal zu beteiligen. Bundesweit sind wir damit ganz vorne mit dabei,“ so Bernshausen weiter.
Mehr Barrierefreiheit wünscht sich Bernshausen im digitalen Zahlungswesen, das in seiner jetzigen Handhabung Menschen ausschließe, für die der Umgang mit den allgegenwärtigen PIN-Codes schwierig ist. Bernshausen: “Einerseits dünnen Banken und Sparkassen ihr Filialnetz immer weiter aus. Gleichzeitig wird der bargeldlose Zahlungsverkehr für Menschen mit Handicap durch den häufigen Einsatz der PIN-Codes erschwert. Das macht viele unserer Klientinnen und Klienten abhängig von anderen Menschen und beschränkt sie in ihrer Eigenständigkeit und Souveränität.“ Das Sozialwerk möchte den digitalen Zahlungsverkehr für Menschen mit Assistenzbedarf zugänglicher machen und sucht zurzeit Partner für entsprechende Projekte. „Die Stadt Gelsenkirchen könnte uns hierbei sicherlich unterstützen,“ hofft Holger Gierth, Geschäftsführer im Sozialwerk St. Georg. Das barrierefreie digitale Zahlungswesen komme schließlich vielen Menschen zugute.
Sozialwerk: Nachhaltige inklusive Visionen für Gelsenkirchen
Auch das Thema „Nachhaltigkeit“ hat längst Einzug gehalten ins Sozialwerk St. Georg. Das spiegelt sich unter anderem in der geplanten Kindertagesstätte auf dem Schachtgelände des Sozialwerks in Gelsenkirchen wider.
Ab Sommer 2022 sollen hier 75 Kinder spielerisch an die Themen Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit herangeführt werden. Zugleich bietet die KITA die Chance, sich weiter für das Quartier Schalke-Nord zu öffnen und so die Begegnung und den Austausch von Menschen mit und ohne Assistenzbedarf zu fördern. Eine Entwicklung, die Sozialwerk und Stadt Gelsenkirchen gleichermaßen unterstützen.
Als „visionär“ empfand das Gelsenkirchener Stadtoberhaupt die Idee, so genannte „tiny houses“ als Wohnmöglichkeit für Menschen mit Assistenzbedarf anzubieten. Die „winzigen Häuser“ haben selten mehr als 15 qm Wohnfläche, verfügen aber dennoch über alles Wesentliche, was man zum Wohnen benötigt. Gierth erläuterte: „Wir brauchen eine Alternative für Menschen, die ihre Heimat weder in den klassischen Wohngruppen der gemeinschaftlichen Wohnformen finden noch in den Angeboten des Ambulant Betreuten Wohnens.“ Vorstellen könne er sich zum Beispiel gemischte Wohnparks, in denen Menschen mit und ohne Assistenzbedarf jeweils in ihren eigenen vier Wänden leben. Ansprechpersonen aus dem Sozialwerk könnten vor Ort sein und Unterstützung bieten, wo diese gefragt ist. Diese Idee stecke noch in den Kinderschuhen, so Gierth. Oberbürgermeisterin Welge sah darin aber durchaus ein vielversprechendes Projekt für die Zukunft.
Man wolle in Kontakt bleiben, versicherten sich beide Seiten, um die ein oder andere, zurzeit vielleicht noch visionär erscheinende, Idee voranzutreiben. So endete der lebendige Austausch, der deutlich machte, dass es nicht nur zahlreiche Gesprächsthemen gibt für Sozialwerk St. Georg und die Stadt Gelsenkirchen, sondern auch viele gemeinsame Ansatzpunkte für eine inklusivere Stadt mit Teilhabemöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger.