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09. September 2022

Erster Inklusionsbeauftragter von Lüdinghausen

Lüdinghausen ist eine Stadt im Kreis Coesfeld mit etwas mehr als 25.000 Einwohner:innen. Einer von ihnen ist Alfons Wecker. Er wohnt dort mit seiner Lebensgefährtin und dem 9 Monate alten Baby. Herr Wecker ist Genesungsbegleiter und seit vorgestern (7.9.2022) der erste Inklusionsbeauftragte der Stadt im Münsterland! Wir haben einen Tag nach der Wahl mit ihm gesprochen.

Herr Wecker, zunächst einmal möchten wir Ihnen herzlich gratulieren zur gewonnenen Wahl! Wie sind Sie denn überhaupt auf die Idee gekommen, sich zur Wahl zum Inklusionsbeauftragten Ihrer Heimatstadt aufstellen zu lassen?                  
Alfons Wecker: Das war ein sehr langer Weg. Ich bin schon seit vielen Jahren im Pluspunkt Lüdinghausen und dort im Klientenbeirat. Ich setze mich also auch innerhalb des Sozialwerks für mehr Teilhabe und Inklusion ein. Irgendwann hat mich Frau Sonnenberger, sie ist Fachleiterin im BeWo Coesfeld, vor einer Bürgermeisterwahl angesprochen, ob ich nicht gemeinsam mit ihr politische Gespräche im Pluspunkt anbieten möchte. Und die haben wir dann vor Wahlen zum Stadtrat, für den Bundestag und den Landtag organisiert. Wir haben also Politikerinnen und Politiker eingeladen, die von sich erzählt und Fragen beantwortet haben. Dabei haben wir festgestellt, dass es besser ankommt, wenn wir keine großen Runden anbieten, sondern wenn diejenigen, die sich zur Wahl stellen, einzeln kommen und von sich und ihren Ideen erzählen. Zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai haben wir dann gemeinsam mit der Caritas und anderen Organisationen und Initiativen Politiker in der Fußgängerzone in Lüdinghausen auf unseren roten Sessel eingeladen. Dort haben sie Rede und Antwort gestanden.

Ja, darüber haben wir berichtet, das war eine tolle Aktion. Aber wie kam es denn nun zur Wahl zum Inklusionsbeauftragten?        
Ich habe durch diese politischen Aktionen ziemlich viele Menschen hier in Lüdinghausen ken-nengerlernt. Vor ungefähr eineinhalb Jahren kam bei ein paar Leuten, zu denen ich auch gezählt habe, die Idee auf, einen Inklusionsbeirat zu gründen. Die Grünen aus der Stadt haben das maßgeblich vorangetrieben. Die Stadtverwaltung war von der Idee auch angetan, wollte aber keinen Beirat, sondern eher einen Inklusionsbeauftragten. Dann haben wir in der Gruppe überlegt, wer das machen könnte. Übrig geblieben bin letztendlich ich…

Und am Mittwochabend hat dann die Wahl stattgefunden – wie ist das abgelaufen?     
Ich hatte mir vorher überlegt, was ich sagen wollte: Was ich schon so gemacht habe, was ich gerade mache und hatte mir das auf einen Zettel geschrieben und in die Hosentasche gesteckt. Es gab noch eine Mitbewerberin und die hat angefangen mit einer richtig guten Rede. Das hat mich echt beeindruckt, denn so gut vorbereitet habe ich mich nicht gefühlt. Ich habe mir dann einfach das Mikrofon geschnappt und drauflosgeredet. Ich hatte zwischendurch auch das Gefühl, dass ich ziemlich stammele. Aber letztendlich bin ich mit 19 von 32 Stimmen gewählt worden!          
Nächste Woche steht dann die Bestellung durch den Stadtrat an. Da muss ich mich auch vorstellen. Ich habe mich direkt gestern Abend noch hingesetzt und schon mal eine zwei Seiten lange Rede geschrieben…

Was sind denn die Aufgaben eines Inklusionsbeauftragten?          
Er ist Ansprechpartner für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt und für alle Belange, die im Zusammenhang mit besserer Teilhabe stehen oder mit dem Abbau von Barrieren.

Und was haben Sie sich als erstes vorgenommen?  
Zuerst muss ich mich überall vorstellen, das wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich werde den Arbeitskreis Inklusion leiten. Daran können interessierte Bürgerinnen und Bürger und Organisationen teilnehmen. Ich möchte Sprechstunden anbieten, in denen man sich an mich wenden kann. Und ich kenne zwar schon viele Leute und habe ein gutes Netzwerk, aber das wird auch ein wichtiger Teil meiner Arbeit sein: Kontakte knüpfen und pflegen.

Gibt es schon konkrete Projekte, die Sie ins Auge gefasst haben?  
In Lüdinghausen gibt es viele Treppen und viele Geschäfte sind schlecht zugänglich. Ich merke das im Moment gerade mal wieder, wo wir häufig mit dem Kinderwagen unterwegs sind. Mit dem Seniorenbeirat der Stadt habe ich mich darüber auch schon ausgetauscht. Also das wäre wichtig: Hier mehr Barrierefreiheit zu schaffen. Ich habe auch schon eine Idee. In vielen Städten gibt es Rampen aus Legosteinen. Das wäre auch etwas für Lüdinghausen! Wir könnten hier mit Schulen kooperieren und vielleicht auch finanzielle Förderung erhalten.
Was mir auch sehr am Herzen liegt, ist, die digitalen Wege in der Verwaltung der Stadt zu vereinfachen. Zum Beispiel müssten die Anträge auf der Webseite der Stadt viel einfacher gestaltet sein. Es müsste viel mehr eingegangen werden auf unterschiedliche Beeinträchtigungen von den Menschen, die sie ausfüllen. Ich habe hier schon Kontakt mit der Stadt aufgenommen und es ist auch bereits einiges geschehen. So wurde der Kontrast der Schrift auf der Seite erhöht, damit die Texte besser lesbar sind. Aber hier muss noch viel passieren und dafür möchte ich mich einsetzen.

Das ist eine ganze Menge…  
Ja, aber ich bekomme auch Unterstützung: Mit Frau Sonnenberger aus dem BeWo Coesfeld kann ich mich toll austauschen und sie hat gute Ideen. Dann haben wir mit Dennis Sonne von den Grünen einen Vertreter aus Lüdinghausen mit viel politischer Erfahrung im Landtag NRW sitzen. Auch die Stadt selbst ist sehr viel offener für das Thema als noch vor ein paar Jahren. Ich bin parteilos und unabhängig, habe also ganz viel Freiraum.

Dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg und gutes Gelingen –  wir werden immer mal wieder nachhören, wie es Ihnen so geht, als Inklusionsbeauftragter der Stadt Lüdinghausen.