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09. März 2023

Leben mit FASD – Ein Buch über die Geschichte von Tim Puffler

„Herr Puffler, Sie haben das fetale Alkoholsyndrom.“ Als der Arzt diese Worte am 12. Juni 2012 sprach, war es für Tim Puffler, „wie eine Erlösung“. Zu diesem Zeitpunkt war der heutige Klient des Tagesstätten-Verbundes 31 Jahre alt und hatte miterleben müssen, wie sein Leben immer mehr aus den Fugen geriet. „Hätte ich diese Diagnose eher bekommen, wäre für mich als Jugendlicher und Erwachsener vieles besser gelaufen, weil ich dann die notwendige Unterstützung bekommen hätte“, ist er sich heute sicher. Ein Grund für die späte Diagnose sieht Puffler darin, dass das „Fetal Alcohol Spectrum Disorder“ (FASD) lange Zeit recht unbekannt war. Der Terminus beschreibt die negativen Auswirkungen auf die Entwicklung eines Menschen, wenn die Mutter in der Schwangerschaft Alkohol trinkt.

Um ihren Teil dazu beizutragen, die komplexen Schwierigkeiten, die FASD hervorrufen kann, bekannter zu machen, haben Tim Puffler und seine Adoptivmutter Monika Reidegeld ein Buch über den Lebensweg des heute 42-Jährigen geschrieben. In Rahmen von drei Lesungen haben sie das Buch bereits vorgestellt, zuletzt am vergangenen Mittwoch in der In der TaGS (Tagesstätte Gelsenkirchen Süd). In der nächsten Woche gibt es eine weitere Lesung im Schloss StolzenfelZ in Gelsenkirchen.

„FASD ist zu 100 Prozent vermeidbar“

„FASD zählt zu den häufigsten angeborenen Behinderungen in Deutschland“, berichtet Puffler. „Dies ist sehr erschreckend, weil es zu 100 Prozent vermeidbar ist, wenn die Mutter in der Schwangerschaft auf Alkohol verzichtet.“ Oft hätten die Menschen, die vom FASD betroffen seien, in ihrem Leben mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, ohne zu wissen, warum.

So ging es auch Tim Puffler: Während seine Adoptiveltern in jungen Jahren Entwicklungsverzögerungen feststellten, wurde das Leben für ihn im Jugend- und jungen Erwachsenenalter immer schwieriger: „Ich hatte Probleme aufzuräumen, und eine Tagesstruktur einzuhalten“, berichtet Puffler. „Da ich recht wortgewandt bin, habe ich zwar die Fachoberschulreife erworben, habe jedoch auf der anderen Seite zweimal eine Ausbildung zum Altenpfleger abgebrochen, weil ich mir die Fachbegriffe nicht merken konnte.“ Das größte Problem war für den jungen Erwachsenen jedoch, dass er leicht beeinflussbar war und nicht „nein“ sagen konnte. „Dies ist ganz typisch für Menschen mit dem fetalen Alkoholsyndrom“, erklärt er. „Bei mir hat es dazu geführt, dass ich alles Mögliche unterschrieben habe und am Schluss auf einem Berg Schulden saß und aus der Wohnung geflogen bin.“

Aufgrund dieser massiven Schwierigkeiten begab sich Tim Puffler schließlich mit seiner Mutter auf Ursachensuche bis zur Diagnose im Jahr 2012. „Der Arzt sagte mir, dass ich daran, wie mein Leben bisher gelaufen sei, keine Schuld habe“, erzählt er. „Dies hat mir eine große Last von den Schultern genommen und mir deutlich gemacht, dass es in Ordnung ist, Hilfe anzunehmen.“  Das „Nein“-Sagen hat der Klient inzwischen übrigens gelernt – durch ein soziales Training, das er im Tagesstätten-Verbund absolviert hat. „Heute würden mir die Fehler von damals nicht mehr passieren“, betont er. „Daher wünsche ich allen, die von FASD betroffen ist, dass sie die notwendige Unterstützung eher bekommen als ich.“

Wer das Buch käuflich erwerben möchte, kann es unter ISBN-Nummer 978-3-949192-02-9 bestellen.
Die nächste Lesung findet am Mittwoch, 15. März, um 10:00 im Schloss StolzenfelZ (Ahstraße 10, 45879 Gelsenkirchen) statt. Der Eintritt ist frei.