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21. Oktober 2022

Peer-to-peer-Detektive

EUTB – das Kürzel steht für „ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“. Ab 1. Januar 2023 werden die Beratungsstellen in Gelsenkirchen, Herne und dem Hochsauerlandkreis-Mitte vom Sozialwerk St. Georg weitergeführt. Wir haben mit einer Beraterin der EUTB Gelsenkirchen gesprochen.

Frau Acar, wir fallen direkt mit der Tür ins Haus: Was ist das Besondere an der EUTB?   

Zunächst einmal die Breite unseres Angebots. Ich vergleiche das immer mit einem großen Blumenstrauß, weil wir so viel Buntes und Verschiedenes abdecken. Häufig kommen die Menschen zu uns mit dem unbestimmten Gefühl, keine wirkliche Teilhabe in der Gesellschaft oder im Arbeitsleben genießen zu können. Dann müssen wir erst einmal gemeinsam versuchen, herauszufinden, welche Bedürfnisse nicht befriedigt werden, um uns dann Gedanken über mögliche Unterstützungsleistungen und passende Hilfsmittel machen zu können. Dabei leisten wir nicht selten echte Detektivarbeit.
Wir beraten dann nicht nur in eine Richtung, sondern versuchen, verschiedene Optionen zu erschließen. Das „U“ in EUTB steht für „unabhängig“ und genau das sind wir. Wir schlagen passende Angebote vor, egal, ob sie nun von der AWO, der Diakonie, der Caritas, unserem jetzigen Träger, der LAG Selbsthilfe, oder irgendeinem anderen sind.

Wenn die EUTB-Beratungsstellen in Gelsenkirchen und Herne ab dem 1. Januar 2023 vom Sozialwerk St. Georg weitergeführt werden … dann haben Sie also nicht in erster Linie unsere Angebote im Blick?     
Nein. Wir versuchen, ein passgenaues Angebot für die Ratsuchenden zu finden. Das steht im Vordergrund und da spielen die Träger erst einmal keine Rolle. Das genau ist es auch, was mir an der Arbeit so großen Spaß macht Wir sind Lotsen, geben Orientierung und können uns dabei frei bewegen.

Das klingt beneidenswert …  
Ist es auch. Ich habe zuvor als Psychologin in einem Krankenhaus gearbeitet, in einer Psychiatrie, und fühlte mich dort ziemlich eingeschränkt in meinem Wirkungskreis. Jetzt, als Projektleiterin für EUTB, ist das ganz anders und ich freue mich schon darauf, wenn zum 1.1.2023 noch Herne dazukommt.

Das stemmen Sie aber nicht alleine, oder?  
Nein, wir sind zu zweit. Meine Kollegin und ich ergänzen uns ganz wunderbar. Wir können auch hier einen bunten Blumenstrauß anbieten – diesmal an Behinderungen. Eine weitere Besonderheit der EUTB ist nämlich, dass die Berater:innen entweder eigene Erfahrungen mit Behinderungen gemacht haben müssen oder aber eine:r ihrer nahen Angehörigen. Ich selbst lebe mit einer Tetraspastik und einer Athetose, also einer Lähmung von Armen und Beinen sowie einer Störung, durch die unwillkürliche Bewegungen meiner Hände und Füße ausgelöst werden. Ich erhalte seit über 25 Jahren Assistenz im Alltag. Da bin ich also eine alte Häsin und kann einen großen Erfahrungsschatz anbieten. Bei meiner Kollegin, Karen Modersohn-Kluth, ist die Behinderung nicht so offensichtlich. Aber wie auch immer sie geartet ist, das ermöglicht uns, eine wirkliche peer-to-peer-Beratung auf Augenhöhe anzubieten. Das wird von den Ratsuchenden sehr geschätzt. Ich habe zudem noch türkische Wurzeln und bin dadurch häufig Ansprechpartnerin für die türkische community oder für Geflüchtete, die die türkische Sprache sprechen.

Frau Acar, das klingt nach einer echten Bereicherung für das Sozialwerk – wir freuen uns auf Sie und Ihre Kollegin und werden im nächsten Jahr bestimmt noch viel von Ihnen hören. Für heute danken wir Ihnen sehr herzlich für Ihre Zeit und das Gespräch.