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28. April 2021

Qualität des Lebens – trotz Corona-Krise?

Menschen mit einem erhöhten Assistenzbedarf waren besonders von den Einschränkungen der Corona-Pandemie betroffen: Ihr Alltag während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 war geprägt von Betretungsverboten in Besonderen Wohnformen, Beschränkungen für Werkstätten für Menschen mit Behinderung und Tagesstätten. Für soziale Dienstleister wie dem Sozialwerk St. Georg stellte sich die Frage, wie sie die Anforderungen und Qualität der Assistenz trotzdem sicherstellen und gleichzeitig die notwendigen – sich häufig kurzfristig verändernden – Regelungen und Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie einhalten konnten. Eine kürzlich veröffentlichte Studie liefert Antworten.

Seit vielen Jahren richtet das Sozialwerk St. Georg seine Arbeit fachlich am Assistenzkonzept „Qualität des Lebens“ aus. Klientinnen und Klienten bestimmen hierbei maßgeblich die Themen, die für sie hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit, gesellschaftlichen Teilhabe und ihrem Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielen. Ermittelt werden die Wünsche und Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten einmal jährlich in Interviews. Die Auswertung erfolgt anhand der Personal Outcomes Scale (POS), einem Messinstrument zur Erfassung der individuellen „Qualität des Lebens“ eines Menschen.

Dass die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen einen Einfluss auf die „Qualität des Lebens“ der Klientinnen und Klienten haben würden, stand außer Frage. Eine gemeinsam mit der xit GmbH durchgeführte Studie sollte Aufschluss darüber geben, ob und wie Klientinnen und Klienten, Mitarbeitende und Leitungskräfte gemeinsam die „Qualität des Lebens“ trotz der Corona-Pandemie erhalten konnten und welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Situation mit den knappen verfügbaren Ressourcen zu meistern. Bislang handelt es sich um die erste empirische Analyse dieser Art, die die Wirksamkeit der eigenen Maßnahmen zur Krisenbewältigung systematisch, d. h. nicht nur anhand von Einzelfallen, untersucht.

Stabilisierung der „Qualität des Lebens“

Die Ergebnisse wurden kürzlich veröffentlicht und mögen zunächst erstaunen, denn: Vergleicht man die POS-Werte 2019 und 2020, so waren – anders als erwartet oder „gefühlt“ – nur geringe Unterschiede festzustellen. Die Pandemie wirkte sich zwar durchaus als Stressor aus, führte aber nur in Einzelfällen zu eskalierenden Krisensituationen. Es ist dem Sozialwerk St. Georg gelungen, die „Qualität des Lebens“ der Klientinnen und Klienten auch in der Corona-Krise zu stabilisieren.

„Auffällig ist der zusätzliche Aufwand an Dokumentation, der aufgrund der Sars-CoV-2-Pandemie geleistet wurde,“ erklären Frank Löbler und Sandra Schneider, Projektleitungen der Studie. „Klientinnen und Klienten mussten über die neuen Verhaltensregeln aufgeklärt werden, die Umsetzung überprüft, Fieber gemessen werden und so weiter. Die Dokumentation mit Zielbezug, das heißt die Assistenzaufträge, durfte aber gleichzeitig nicht aus den Augen verloren werden.“

Kommunikation als Schlüsselfaktor in der Krise

Die Studie kam zu dem Schluss, dass eine funktionierende Kommunikation der Schlüssel zu einer zumindest aushaltbaren Bewältigung der Einschränkungen durch SarsCoV-2 war. Schneider: „Eine solche Krisenkommunikation ist aber nur durch einen hohen Einsatz aller Mitarbeitenden leistbar. Zumal wir durch eine nicht flächendeckende Digitalisierung oft limitiert waren.“ Zudem mussten von den Mitarbeitenden in den Einrichtungen neue Lösungsansätze für Arbeits- und Freizeitangebote erarbeitet werden.

„All dies wurde geleistet durch einen erheblichen Einsatz von Ressourcen und eine enge Zusammenarbeit, was alle Beteiligten an- und auch über die Belastungsgrenze führte,“ betont Löbler, auch Leitung des Ressorts Qualität. „Aber wir können heute feststellen: Wir können Krise im Sozialwerk!“

Gleichzeitig gibt sich der Leiter des Ressorts Qualität keinen Illusionen hin: „Es wird eine Kraftanstrengung sein, die „Qualität des Lebens“ weiterhin zu stabilisieren, denn noch ist die Krise ja nicht vorbei. Und selbst wenn das der Fall ist, steht nicht Regeneration auf unserer Agenda, sondern die Herausforderungen im Zuge der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG).“

Die Studie zum Nachlesen finden Sie unter www.pos-misst-lebensqualitaet.de. Für Fragen stehen die Projektleitungen zur Verfügung: f.loebler(at)­sozialwerk-st-georg.de und s.schneider(at)­sozialwerk-st-georg.de.

 

 

Sehen und hören Sie hier den ersten Impuls aus dem Monat März des spirituellen Begegnungszentrums St. Anna